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Die Fang- und Heuschrecken in Rheinland-Pfalz

  • Autor:
    Manfred Alban Pfeifer, Manfred Niehuis und Carsten Renker
  • Erscheinungsjahr:
    2011
  • Sprache:
    Deutsch
  • Web:

Der Band „Die Fang- und Heuschrecken in Rheinland-Pfalz“ schliesst die letzte Lücke in der Bearbeitung der Heuschrecken Deutschlands. Mit 680 Seiten ist er sogar der umfangreichste aller bisher erschienenen Heuschreckenatlanten der Deutschen Bundesländer. In ehrenamtlicher Arbeit haben M. A. Pfeifer, M. Niehuis und C. Renker mit zahlreichen Mitarbeitern in den letzten zwanzig Jahren das umfangreiche Material zusammengetragen und aufgearbeitet. Nicht weniger als 54000 Datensätze aus Literatur, Sammlungen und aktuellen Meldungen sind darin verarbeitet, davon 47000 aus der Zeit nach 1986. Den Autoren ist zu diesem Werk zu gratulieren.

Auf einer Fläche von 20000 km2 weist Rheinland-Pfalz momentan 59 bodenständige Fang- und Heuschrecken auf. Darunter befinden sich zwei eingeschleppte Arten: die Chinesische Gottesanbeterin Tenodera sinensis und die Exotische Grille Gryllodes sigillatus, die sich an wenigen Stellen im Freiland fortzupflanzen scheinen.

Die Autoren geben zuerst eine allgemeine Einleitung in die Morphologie der Fang- und Heuschrecken. Hier werden vor allem Informationen aus andern Werken zusammengestellt oder wörtlich zitiert. Die drei darauf folgenden Kapitel trifft man üblicherweise in einem Heuschreckenatlas nicht an. Da erfährt man nämlich viel Interessantes und Amüsantes über die Gottesanbeterinnen und Heuschrecken in Sprache, Kunst und Kultur. Wer hätte gedacht, dass im Dom zu Speyer eine bronzene Heuschrecke eine Lebensbaum-Skulptur ziert? Anschliessend folgt eine ausführliche Schilderung der verschiedenen Naturräume in Rheinland-Pfalz. Die einzelnen Gebiete werden umfassend geologisch, botanisch und faunistisch charakterisiert. Ein kurzes Kapitel beleuchtet die fossilen Funde über Schrecken in Rheinland-Pfalz. Ein längeres berichtet in Text und Bild über die zahlreichen Forscher, die früher oder erst kürzlich Wesentliches zum Wissen über die Heuschrecken in Rheinland-Pfalz und darüber hinaus beigetragen haben. Da begegnet man manch einem Gesicht, das man nur dem Namen nach kannte.

Im Hauptteil des Werkes werden sämtliche Arten nach folgendem Muster bearbeitet: Kennzeichen, Areal, aktuelle Verbreitung in Rheinland-Pfalz mit Höhenverbreitung, Lebensräume, Phänologie, Biologie und Verhalten, Gefährdung und Schutz. Die Kennzeichen werden meist mit einer Zusammenfassung anderer Quellen oder direkt mit Zitaten beschrieben. Für eine exakte Bestimmung schwieriger Arten fehlen meiner Meinung nach Zeichnungen von bestimmungsrelevanten Merkmalen. Ein nicht ausgewiesener Kenner muss da zwangsläufig auf andere Bestimmungsbücher ausweichen. Sehr breiten Raum nehmen die Angaben über das Vorkommen der Arten in Rheinland-Pfalz ein. Hier sind minutiös unzählige Daten aus älterer und jüngerer Zeit aufgelistet, unterteilt nach der naturräumlichen Gliederung des Untersuchungsgebietes. Die daraus erstellten Karten zeigen das Vorkommen der Tiere mit zwei Signaturen: zum einen bis 1986 und zum andern ab 1987. Daraus wird ersichtlich, welch enorme Datenmenge in den letzten zwanzig Jahren dazugekommen ist. Vier Arten konnten nach 1986 nicht mehr nachgewiesen werden und gelten als ausgestorben oder verschollen, darunter die Rotflügelige Schnarrschrecke Psophus stridulus und die Kleine Goldschrecke Euthystira brachyptera. Das umfangreiche Material erlaubt auch Schlüsse über den Wandel in der Verbreitung von Arten. So kann, wohl im Zusammenhang mit der Klimaerwärmung, das Vordringen von Wärme liebenden Arten nach Norden verfolgt werden, wie es die Vierpunktige Sichelschrecke Phaneroptera nana und die Südliche Grille Eumodicogryllus bordigalensis zeigen.

Die Abschnitte über Lebensräume, Phänologie, Biologie und Verhalten bestehen grösstenteils aus einer Auflistung von unzähligen Zitaten aus Werken des gesamten Deutschen Raums. Ich vermisse eigene Beobachtungen aus dem untersuchten Gebiet, und meiner Ansicht nach kommt eine Beschreibung und Deutung der Verhältnisse in Rheinland-Pfalz aus persönlicher Sicht der Autoren zu wenig zum Zuge. Das Werk schliesst mit einer aktualisierten Roten Liste der Heuschrecken in Rheinland-Pfalz. Die noch gültige Liste aus dem Jahre 1991 wird auf den neusten Stand gebracht und ausführlich diskutiert. Es ist zu hoffen, dass das Umweltministerium diese neue Rote Liste baldmöglichst für verbindlich erklärt.

Das Buch ist von hoher Qualität. Es ist übersichtlich gestaltet, enthält zahlreiche Tabellen, Karten und Diagramme und ist reich bebildert. Etliche Nahaufnahmen von Heuschrecken könnten allerdings besser belichtet und schärfer sein. Die Übersichtskarten auf den Seiten 130-137 kommen etwas gar bunt daher.

Interessant finde ich das Kapitel über die Europäische Wanderheuschrecke Locusta migratoria. Die geschichtlichen Texte und die Abbildungen vermitteln ein eindrückliches Bild über die einstigen Masseneinwanderungen der Heuschrecke aus dem Raum des Schwarzen Meeres und die damit verbundenen Probleme für die Bevölkerung der betroffenen Gebiete.

Mit der Sattelschrecke Ephippiger diurnus (=Ephippiger ephippiger vitium) besitzt Rheinland-Pfalz eine attraktive Art, die hier an der Nordwestgrenze ihres Areals lebt. Der Erhalt ihrer Lebensräume ist von grosser Wichtigkeit, kommt doch diese Heuschrecke anderswo in Deutschland kaum vor. Zudem leben in ihren Habitaten meist weitere, seltene Heuschreckenarten.

Die Autoren haben ein fundiertes Werk über die Fang- und Heuschrecken in Rheinland-Pfalz geschaffen, das sich lohnt, näher anzuschauen.

Daniel Roesti (05.09.2012)